Vortragender:
Gernot Böhme (Philosophie –Prof. em. an der TU Darmstadt)
Online Vortrag & Diskussion
10. Juni 2020, 18:00–19:30
Protokollantin:
Lena Rose
Der deutsche Philosoph Gernot Böhme ist 1937 in Dessau geboren. Nach seinem Abschluss begann er mit dem Studium der Fächer Physik, Mathe und Philosophie in Göttingen, woraufhin 1973 seine Habilitation folgte. Im Jahr 1977 wurde er Philosophie-Professor an der TU Darmstadt. Heute leitet er das Private Instituts der Praxis für Philosophie.
Während seines Vortrages zu Goethes Naturbegriff verwendet Herr Böhme zahlreiche Zitate aus Goethes Werken - wie „an den Mond“ (Gedicht), „der Mond ist aufgegangen“ (Gedicht), „Faust“ (Tragödie), „die Metamorphose der Pflanzen“ (Elegie) und „die Wahlverwandtschaften“ (Roman) - um Goethes Naturverständnis zu verdeutlichen. Einen beträchtlichen Teil seiner Werke verfasste Goethe in seinem Gartenhaus im Ilmpark in Weimar.
Johann Wolfgang von Goethe war ein großer Freund des Reisens. Besonders seine Schweiz- (1779) und Italien-Reise (1788) inspirierten ihn und erweiterten sein Naturverständnis.
Der Dichter und Naturforscher nahm großen Anteil an der Gestaltung des Ilmparks, wie der radikalen Neugestaltung eines Bereiches westlich der Ilm zu einem Englischen Garten. Diese Art des Landschaftsgartens charakterisiert sich besonders stark durch weite Sichtachsen, die in die Landschaft übergehen. Bei der Neugestaltung wurden neue Objekte an bereits bestehende Gegebenheiten angepasst und integriert. Als Vorbild diente der Wörlitzer Park, wo dem Element des Wassers eine besondere Rolle zugesprochen wird. Auch die Ilm ist aufgrund ihrer gewundenen Form durch den Ilmpark hindurch von großer Bedeutung für die Charakterisierung des Parks.
Laut Goethe besteht Natur aus einer inneren Ordnung, die sich aus einer Reihe von Phänomen, welche stets erweitert werden, zusammensetzt. Auch der Mensch ist ein Teil dieser Phänomenreihe, denn ein Park ist ein Stück Natur, das gesellschaftlich geprägt wird. Da der Mensch ein Teil der Natur ist, sollte er sich dieser des Öfteren bewusstwerden. Aufgrund dessen stellt Goethe die Forderung an den Menschen, sich voll und ganz auf die Natur einzulassen. Dabei betont er häufig die praktische Erkundung der Umwelt durch Wanderungen und Spaziergänge, wodurch die Natur anders wahrgenommen wird und persönliche Erfahrungen gemacht werden können. Aus Goethes Sicht handelt es sich bei Naturpraxis um einen aufeinanderfolgenden Ablauf von Sammeln von Erfahrungen, das Gestalten der Umwelt und schließlich der Wahrnehmung durch eigene Erkundungen. Denn erst durch die Teilnahme und Zugehörigkeit am sinnlichen Leben der Bevölkerung werden Erkenntnisse deutlich, wobei auch die subjektive Selbsterkenntnis eine wichtige Rolle einnimmt. An dieser Stelle ziehen Herr Böhme — und auch Goethe — den Bezug zum Farbenkreis und zur Farbenlehre. Farben erscheinen dem Auge und können daher nicht als objektiv betrachtet werden, wodurch sie die individuelle Wahrnehmung beeinflussen.
Zusammenfassend beschreibt Goethe die Bedeutung der Natur folglich: „Das ich erkenne was die Welt im Innersten zusammenhält“. Für ihn scheint die Natur die Gesamtheit des Seins darzustellen.
Da es sich bei diesem Vortrag um Goethes Naturbegriff handelt, wurde Goethes Gartenhaus mehrfach thematisiert. Neben dem Gartenhaus hatte er auch ein Wohnhaus am Frauenplan in unmittelbarere Nähe zum Ilmpark. Aber auch weitere gestalterische Elemente des Ilmparks, wie die Sternenbrücke (1778), wurden aufgezeigt.
Es ist erstaunlich wie tiefgründig Goethe sich mit dem Begriff von Natur und der damit verbundenen Selbsterkenntnis auseinandersetzte. Außerdem war mir der Einfluss Goethes und des Wörlitzer Parks auf die Gestaltung des Ilmparks inklusive des Englischen Landschaftsgartenpartien bisher nicht bewusst.
Besonders interessant war die Verbindung zwischen der Umweltwahrnehmung und der Farbenlehre - jeder Mensch nimmt seine Umwelt unterschiedlich und individuelle auf. Wie auch Herr Böhme erwähnte, ist es wichtig das Erkunden und Aufnehmen der Natur zu lehren und zu erlenen. Bisher wurde die Naturphilosophie jedoch noch nicht fest in der Bildung verankert.
Herr Böhme hat den sprachlichen Unterschied zwischen wildness and environment und Natur und Umwelt angesprochen. Wieso unterscheiden sich die Begrifflichkeiten in ihrem Verständnis, obwohl sie das gleiche zu definieren versuchen?
In städtebaulichen Planungsprozessen wird häufig über die Nutzung und Aneignung der Umwelt gesprochen. Dabei wird der Mensch oftmals über die Natur gestellt, da er sie zu nutzen und zu gestalten versucht. Doch Goethe wirft den Gedanken auf, dass der Mensch sich öfter daran erinnern muss, dass er lediglich ein Teil der Natur ist.
Vortragender:
Gernot Böhme (Philosophie –Prof. em. an der TU Darmstadt)
Online Vortrag & Diskussion
10. Juni 2020, 18:00–19:30
Protokollantin:
Lena Rose
Der deutsche Philosoph Gernot Böhme ist 1937 in Dessau geboren. Nach seinem Abschluss begann er mit dem Studium der Fächer Physik, Mathe und Philosophie in Göttingen, woraufhin 1973 seine Habilitation folgte. Im Jahr 1977 wurde er Philosophie-Professor an der TU Darmstadt. Heute leitet er das Private Instituts der Praxis für Philosophie.
Während seines Vortrages zu Goethes Naturbegriff verwendet Herr Böhme zahlreiche Zitate aus Goethes Werken - wie „an den Mond“ (Gedicht), „der Mond ist aufgegangen“ (Gedicht), „Faust“ (Tragödie), „die Metamorphose der Pflanzen“ (Elegie) und „die Wahlverwandtschaften“ (Roman) - um Goethes Naturverständnis zu verdeutlichen. Einen beträchtlichen Teil seiner Werke verfasste Goethe in seinem Gartenhaus im Ilmpark in Weimar.
Johann Wolfgang von Goethe war ein großer Freund des Reisens. Besonders seine Schweiz- (1779) und Italien-Reise (1788) inspirierten ihn und erweiterten sein Naturverständnis.
Der Dichter und Naturforscher nahm großen Anteil an der Gestaltung des Ilmparks, wie der radikalen Neugestaltung eines Bereiches westlich der Ilm zu einem Englischen Garten. Diese Art des Landschaftsgartens charakterisiert sich besonders stark durch weite Sichtachsen, die in die Landschaft übergehen. Bei der Neugestaltung wurden neue Objekte an bereits bestehende Gegebenheiten angepasst und integriert. Als Vorbild diente der Wörlitzer Park, wo dem Element des Wassers eine besondere Rolle zugesprochen wird. Auch die Ilm ist aufgrund ihrer gewundenen Form durch den Ilmpark hindurch von großer Bedeutung für die Charakterisierung des Parks.
Laut Goethe besteht Natur aus einer inneren Ordnung, die sich aus einer Reihe von Phänomen, welche stets erweitert werden, zusammensetzt. Auch der Mensch ist ein Teil dieser Phänomenreihe, denn ein Park ist ein Stück Natur, das gesellschaftlich geprägt wird. Da der Mensch ein Teil der Natur ist, sollte er sich dieser des Öfteren bewusstwerden. Aufgrund dessen stellt Goethe die Forderung an den Menschen, sich voll und ganz auf die Natur einzulassen. Dabei betont er häufig die praktische Erkundung der Umwelt durch Wanderungen und Spaziergänge, wodurch die Natur anders wahrgenommen wird und persönliche Erfahrungen gemacht werden können. Aus Goethes Sicht handelt es sich bei Naturpraxis um einen aufeinanderfolgenden Ablauf von Sammeln von Erfahrungen, das Gestalten der Umwelt und schließlich der Wahrnehmung durch eigene Erkundungen. Denn erst durch die Teilnahme und Zugehörigkeit am sinnlichen Leben der Bevölkerung werden Erkenntnisse deutlich, wobei auch die subjektive Selbsterkenntnis eine wichtige Rolle einnimmt. An dieser Stelle ziehen Herr Böhme — und auch Goethe — den Bezug zum Farbenkreis und zur Farbenlehre. Farben erscheinen dem Auge und können daher nicht als objektiv betrachtet werden, wodurch sie die individuelle Wahrnehmung beeinflussen.
Zusammenfassend beschreibt Goethe die Bedeutung der Natur folglich: „Das ich erkenne was die Welt im Innersten zusammenhält“. Für ihn scheint die Natur die Gesamtheit des Seins darzustellen.
Da es sich bei diesem Vortrag um Goethes Naturbegriff handelt, wurde Goethes Gartenhaus mehrfach thematisiert. Neben dem Gartenhaus hatte er auch ein Wohnhaus am Frauenplan in unmittelbarere Nähe zum Ilmpark. Aber auch weitere gestalterische Elemente des Ilmparks, wie die Sternenbrücke (1778), wurden aufgezeigt.
Es ist erstaunlich wie tiefgründig Goethe sich mit dem Begriff von Natur und der damit verbundenen Selbsterkenntnis auseinandersetzte. Außerdem war mir der Einfluss Goethes und des Wörlitzer Parks auf die Gestaltung des Ilmparks inklusive des Englischen Landschaftsgartenpartien bisher nicht bewusst.
Besonders interessant war die Verbindung zwischen der Umweltwahrnehmung und der Farbenlehre - jeder Mensch nimmt seine Umwelt unterschiedlich und individuelle auf. Wie auch Herr Böhme erwähnte, ist es wichtig das Erkunden und Aufnehmen der Natur zu lehren und zu erlenen. Bisher wurde die Naturphilosophie jedoch noch nicht fest in der Bildung verankert.
Herr Böhme hat den sprachlichen Unterschied zwischen wildness and environment und Natur und Umwelt angesprochen. Wieso unterscheiden sich die Begrifflichkeiten in ihrem Verständnis, obwohl sie das gleiche zu definieren versuchen?
In städtebaulichen Planungsprozessen wird häufig über die Nutzung und Aneignung der Umwelt gesprochen. Dabei wird der Mensch oftmals über die Natur gestellt, da er sie zu nutzen und zu gestalten versucht. Doch Goethe wirft den Gedanken auf, dass der Mensch sich öfter daran erinnern muss, dass er lediglich ein Teil der Natur ist.