Vortragende:
Simon Frisch (Film- und Medienwissenschaften)
Paula Holzhauer (Studentin der visuellen Kommunikation)
Frank Eckardt (Sozialwissenschaftliche Stadtforschung)
Online Vortrag & Diskussion
01. Juli 2020, 18:00–19:30
Protokollant*innen:
Lisa-Marie Kramer
Fiona Kastrop
Simon Frisch
Paula Holzhauer
Frank Eckardt
LKM: Simon Frisch nähert sich dem Park aus der Perspektive der Film- und Medienwissenschaften mit spaziergangswissenschaftlichen Schwerpunkt. Dabei wird der Spaziergang als beschreibend-praktisches Forschungswerkzeug genutzt, um Dinge als praktische Phänomenologie wahrzunehmen und zu analysieren.
FK: […] Er sieht im Gehen im Park eine Methode der Erschließung und Wahrnehmung der Landschaft und in dessen beschreibender Praxis eine phänomenologische Betrachtung. Simon Frisch steuert einen Film bei, indem er einen filmischen Spaziergang durch den Park unternimmt und seine Beobachtungen für die ZuschauerInnen kommentiert.
LKM: Paula Holzhauer näherte sich dem Park über ein Projekt der Visuellen Kommunikation. Dabei lotete sie Wege aus, über „heimliche“ Filmaufnahmen, ergänzt um eigene Deutungen und Zuschreibungen, eine virtuelle Erweiterung der Realität zu schaffen.
FK: Paula Holzhauer, Studentin der Visuellen Kommunikation, untersucht einen Bereich im Park an der Ilm durch BesucherInnenbeobachtung im Kontext der Thematik des Flanierens. Ihre Beobachtungen setzt sie in künstlerischer Auseinandersetzung mit dem Konzept der Argumented Reality um.
LMK: Frank Eckardt nähert sich dem Park aus seiner Forschungsrichtung der Stadtsoziologie. Dabei geht es um die soziologische Untersuchung des Parks als öffentlichen Raum, in welchem jeder Mensch Teil eines Theaters ist und eine spezifische Rolle spielt.
FK: Frank Eckardt blickt aus der Perspektive der Urbanistik und sozialwissenschaftlichen Stadtforschung auf den Park. Sein Fokus liegt auf der Untersuchung von sozialer Interaktion im Ilmpark als öffentlicher Raum. Dabei greift er auf Metaphern von DarstellerInnen in einer Theaterszene zurück.
Simon Frisch
Paula Holzhauer
Frank Eckardt
LMK: Aus seiner spaziergangswissenschaftlichen Perspektive widmet sich Simon Frisch der prozesshaften Ablauffigur des Parks. Er erläutert, dass anders als bei Texten oder Filmen der Park selten autororientiert gelesen und verstanden wird. Der Park nimmt dabei in gewisser Hinsicht die Rezeptionstheorie vorweg, da er seit Anfang an als solcher existiert. Interessant an der Spaziergangswissenschaft ist für ihn nicht die Suche nach einer Allgemeingültigkeit, sondern das bruchstückhafte Erschließen von innen heraus, da dies Diskurs initiiert. Der Park unterliegt dabei stets subjektiven kriteriologischen Fragestellungen und kann dadurch unterschiedlich begriffen werden.
FK: Der Vortragende verknüpft die Spaziergangswissenschaft, inspiriert durch den Gründer der Fakultät Kunst und Gestaltung Lucius Burkhardt, mit filmischer Wahrnehmung von Szenen im Park an der Ilm. In seiner Prozessualität wird das Gehen zu einer Form des kulturhistorischen Erschließens des Parks als Untersuchungsfeld. Hierbei handelt es sich um eine beschreibende Praxis, die durchaus widersprüchlich, bruchstückhaft, reversibel und ephemer ist. Der Fokus der subjektiven Wahrnehmung liegt entsprechend der gehenden Person auf verschiedenen Thematiken. Im Falle Frischs auf den ParkbesucherInnen als Teil einer Szenerie, den durch Wegführung (auch Vor- und Rückbewegung) und Blicklenkung entstehenden landschaftlichen Szenenabfolgen, Brüchen wie zum Beispiel Bauzäunen und den vergänglichen Elementen im Kontext der Kriterien eines Denkmals: Das vorbeifließende Wasser der Ilm, „Un“-Kraut und die immerwährende jahreszeitliche Veränderung der Flora.
LMK: Über die Aneignung des Begriffs der Flaneurin, welcher historisch betrachtet nicht existierte, näherte sich Paula Holzhauer beobachtend dem Gebiet um das Tempelherrenhaus im Ilmpark. Die Beobachtungen fanden über einen längeren Zeitraum zu allen Tageszeiten statt, so konnte erfasst werden, dass der Park zu unterschiedlichen Zeiten ein anderes Gesicht trägt. Es stellten sich Fragen nach den unterschiedlichen Arten von Spaziergänger*innen und deren jeweiligen Intentionen den Park zu nutzen oder zu durchqueren. Im erweiterten Verständnis von Augmented Reality konnte eine persönliche Beziehung du den Passierenden aufgebaut werden, ohne sie anzusprechen.
FK: Zwischen Beobachten und beobachtet werden hinterfragt Paula Holzhauer den Aspekt des (weiblichen) Flanierens durch den Stadtraum, welches historisch eher männlich konnotiert ist. Sie nimmt dabei die Rolle einer Flaneurin ein, die bestimmte Szenerien und Handlungsabläufe der BesucherInnen beobachtet und filmisch festhält. Sie entwirft Gedankenmodelle über die Intentionen und Erlebnisse der passierenden BesucherInnen und untersucht so die Macht der Beobachtungsposition. Auch Paula Holzhauer nutzt die filmische Beobachtung als Mittel zur Dokumentation und als Material ihrer künstlerischen Arbeit.
LMK: Frank Eckardt erläutert, dass der Mensch das Theater im öffentlichen Raum benötigt, um sich darzustellen und eine möglichst authentische Rolle zu spielen. Dabei braucht es mindestens eine zweite Interaktionsperson, mit welcher im Backstage eine Handlung besprochen wird, sowie ein Publikum, welches im Frontstage rezipiert. Diese Erkenntnis ist wichtig, um das Geschehen im Ilmpark zu verstehen. Der Park als öffentlicher Raum dient dabei als sozialer Lernort. Frank Eckardt unterscheidet letztlich zwischen einem konservierungssuchenden Helikopterpark, in welchem nur nach kontrollierten Regeln gehandelt wird und dem heterotopischen, alltagstauglichen Park, in welchem sich verschiedene Akteur*innen arrangieren und die schwächsten Interessen geschützt sind.
FK: Frank Eckardt sieht im Ilmpark als öffentlichen Ort einen Kommunikationsort vergleichbar zum Theater. In diesem erfolgen Handlungen nach bestimmten Vereinbarungen und aus bestimmten Positionen, on-stage und off-stage. Es ist ein Ort der Selbstdarstellung, in der bestimmte Rollen eingenommen und ausgehandelt werden können. Der öffentliche Raum ist hierbei ein Ort des sozialen Lernens an dem die Spielregeln des Zusammenlebens erprobt werden können. Ebenso gilt es, die Rolle, beziehungsweise den Modus des Parks selber, auszuhandeln. Eckardt stellt dabei die Frage, wie die verschiedenen Interessen an den Park ausgehandelt werden können. Dem Ilmpark als musealisiertes Kunstwerk und dessen Konservierung steht der Park als Heterotopie, als widersinniger, offener Freiraum, gegenüber. Besonders hebt Eckardt die Untersuchung der Aufenthaltsqualität im Park und den Schutz der schwächsten Interessen hervor.
LMK: Zunächst wird der Park bei allen Beteiligten zu einem Arbeits- und Forschungsort unter einem spezifischen beobachtend-analysierenden Blickwinkel. Dabei werden unterschiedlich gewichtend das Neben- und Miteinander des Menschen mit seinem Umfeld betrachtet. Abgesehen davon, dass der Park je nach Tageszeit, Perspektive und sozialer Szenerie ein anderes Gesicht trägt, stellt sich heraus, dass sich der Mensch dabei sowohl in einer beobachtenden Rolle befindet, als auch Teil ebendieser Szene ist. In diesem Theaterstück des öffentlichen Raumes müssen soziale Verhandlungen ausgetragen werden, im besten Fall findet hier soziales Lernen und Sozialisation statt. Dies setzt einen heterotypischen, also alltagstauglichen und vielfältigen Parkcharakter voraus, der unterschiedlichste Spieler:innengruppen zulässt. Dies führt insofern zu Konflikten, als dass der Park unter dem Ideal der Aufklärung entstanden ist, heute aber abseits diesen Bewusstseins für ganz andere Bedürfnisse (bspw. laute Musik von Jugendlichen) genutzt wird. Dabei offenbart sich der Streitpunkt zwischen einer konservierenden und rückbesinnenden Haltung einerseits, zu einer nachhaltigen Umgestaltung und Anpassung des Parks andererseits. Obwohl alle Referierenden den Park und seinen Charakter schätzen kommen sie zu dem Fazit, dass es einen neuen Aushandlungsprozess braucht, welcher möglichst alle Spieler:innengruppen integriert und nicht durch eine bestimmte Institution und neues Reglement für bestimmte Bevölkerungsteile exkludierend wirkt. Dabei bleiben offene Fragen wie beispielsweise: Was soll/ will dieser Park sein? Was und wer gehört dazu? Bieten digitale Methoden eine Möglichkeit den Park neu zu denken und anders wahrzunehmen?
FK: Alle Vortragenden nehmen Bezug auf den Begriff der Inszenierung. Dabei wird dieser sowohl zur Beschreibung der landschaftlichen und architektonischen Parkgestaltung als auch der sozialen Interaktion im Ilmpark genutzt. Er dient der Untersuchung von Anordnungen und Abläufen in einem abgesteckten Bereich, der der Wissensgenerierung und künstlerischen Umsetzung dient.
Die Vortragenden nehmen dabei verschiedene Beobachtungspositionen ein. Simon Frisch wird als Spaziergänger Teil der „Inszenierung Ilmpark“, hält seine Eindrücke filmisch fest und macht die Methode der Spaziergangswissenschaft erlebbar. Paula Holzhauer hingegen nutzt für ihr künstlerisches Projekt ebenfalls filmische Mittel, greift jedoch anders in das generierte Material ein. Folgend ihrem Interesse der Fragen nach dem Flanieren und der Macht des Beobachters ordnet sie die Fragmente ihrer Aufnahmen zu neuen Erzählformen an. Frank Eckardt nimmt den Blick von außen ein, der den Park und die Gesamtheit der sozialen Interaktionen zum Untersuchungsgegenstand macht.
Welche Orte im Park sind im Verlauf der Vorträge thematisiert worden?
LMK: Im Verlauf des Videos von Simon Frisch wird ein Spaziergang durch den Ilmpark aus Richtung Oberweimar unternommen. Dabei werden neben zahlreichen Wegen des Parks (bspw. Corona-Schröter-Weg), Brücken, das Römische Haus, Goethes Gartenhaus und die Einsiedelei mit der künstlichen Ruine betrachtet. Paula Holzhauer fokussierte sich in ihrer Arbeit auf die Wiese beziehungsweise das Gelände um das Tempelherrenhaus. Diese Wiese, als auch der Uferbereich am Ochsenauge, spielten in der anschließenden Diskussion hinsichtlich ihrer Nutzer:innengruppen und deren Verhaltensweisen eine Rolle.
FK: Simon Frisch thematisiert eine Wegstrecke durch den Park, ausgehend vom Bienenmuseum/ Oberweimar. Dabei geht er auf Architektur, Landschaft und BesucherInnen auf und neben dem Weg ein. Paula Holzhauer beobachtete über einen längeren Zeitraum wiederkehrend einen Bereich neben dem Tempelherrenhaus. Frank Eckardt untersucht den Park als sozialen Raum im Ganzen.
LMK: Besonders interessant erschien es mir die Umgebung des Parks aus einer soziologisch motivierten Sicht zu betrachten. Das Wissen, dass jede Person eine bestimmte Rolle im sogenannten Frontstage übernimmt, die Vorbereitung aber bereits im Backstage stattgefunden hat, macht neue Blicke auf das menschliche Verhalten im Park möglich. Gleichermaßen offenbart eine solche Beobachtung auch die Notwendigkeit eines Aushandlungsprozesses um die Zukunft des Ilmparks. Dabei muss ein besonders sensibler Umgang mit den Interessen aller Beteiligten und den Ansprüchen des Parks gefunden werden. Dieser darf meiner Meinung nach nicht durch die Dominanz einer bestimmten Institution wie der Klassik Stiftung oder der Bauhaus Universität geschehen. Interessant waren dabei insbesondere aufgeworfene Fragestellungen und Thesen Simon Frischs bezüglich der Lesart und des Verständnisses des Parks. Dabei muss es letztlich gelingen sich nicht von vornherein mit einem Label der Konservierung oder Umgestaltung zu belegen, sondern einen ergebnisoffenen Diskurs zu führen. Die Frage der (Nicht-)Einbindung/ digitaler Methoden innerhalb des Parks, scheint dafür zunächst nicht entscheidend.
FK: In der nachfolgenden Diskussion kommt zu Tage, dass der Konflikt bezüglich der Nutzung des Parks schon in seine Entstehung eingeschrieben ist. Wessen Rolle ist es, zu entscheiden wie mit dem Park als öffentlichem Raum und seinem Denkmalstatus umgegangen wird? Wie kann der Aushandlungsprozess stattfinden? Wonach sind wir auf der Suche und wer nimmt den Park auf welche Weise war? Gibt es eine Möglichkeit, die verschiedenen Vorstellungen zu vereinen?
Vortragende:
Simon Frisch (Film- und Medienwissenschaften)
Paula Holzhauer (Studentin der visuellen Kommunikation)
Frank Eckardt (Sozialwissenschaftliche Stadtforschung)
Online Vortrag & Diskussion
01. Juli 2020, 18:00–19:30
Protokollant*innen:
Lisa-Marie Kramer
Fiona Kastrop
Simon Frisch
Paula Holzhauer
Frank Eckardt
LKM: Simon Frisch nähert sich dem Park aus der Perspektive der Film- und Medienwissenschaften mit spaziergangswissenschaftlichen Schwerpunkt. Dabei wird der Spaziergang als beschreibend-praktisches Forschungswerkzeug genutzt, um Dinge als praktische Phänomenologie wahrzunehmen und zu analysieren.
FK: […] Er sieht im Gehen im Park eine Methode der Erschließung und Wahrnehmung der Landschaft und in dessen beschreibender Praxis eine phänomenologische Betrachtung. Simon Frisch steuert einen Film bei, indem er einen filmischen Spaziergang durch den Park unternimmt und seine Beobachtungen für die ZuschauerInnen kommentiert.
LKM: Paula Holzhauer näherte sich dem Park über ein Projekt der Visuellen Kommunikation. Dabei lotete sie Wege aus, über „heimliche“ Filmaufnahmen, ergänzt um eigene Deutungen und Zuschreibungen, eine virtuelle Erweiterung der Realität zu schaffen.
FK: Paula Holzhauer, Studentin der Visuellen Kommunikation, untersucht einen Bereich im Park an der Ilm durch BesucherInnenbeobachtung im Kontext der Thematik des Flanierens. Ihre Beobachtungen setzt sie in künstlerischer Auseinandersetzung mit dem Konzept der Argumented Reality um.
LMK: Frank Eckardt nähert sich dem Park aus seiner Forschungsrichtung der Stadtsoziologie. Dabei geht es um die soziologische Untersuchung des Parks als öffentlichen Raum, in welchem jeder Mensch Teil eines Theaters ist und eine spezifische Rolle spielt.
FK: Frank Eckardt blickt aus der Perspektive der Urbanistik und sozialwissenschaftlichen Stadtforschung auf den Park. Sein Fokus liegt auf der Untersuchung von sozialer Interaktion im Ilmpark als öffentlicher Raum. Dabei greift er auf Metaphern von DarstellerInnen in einer Theaterszene zurück.
Simon Frisch
Paula Holzhauer
Frank Eckardt
LMK: Aus seiner spaziergangswissenschaftlichen Perspektive widmet sich Simon Frisch der prozesshaften Ablauffigur des Parks. Er erläutert, dass anders als bei Texten oder Filmen der Park selten autororientiert gelesen und verstanden wird. Der Park nimmt dabei in gewisser Hinsicht die Rezeptionstheorie vorweg, da er seit Anfang an als solcher existiert. Interessant an der Spaziergangswissenschaft ist für ihn nicht die Suche nach einer Allgemeingültigkeit, sondern das bruchstückhafte Erschließen von innen heraus, da dies Diskurs initiiert. Der Park unterliegt dabei stets subjektiven kriteriologischen Fragestellungen und kann dadurch unterschiedlich begriffen werden.
FK: Der Vortragende verknüpft die Spaziergangswissenschaft, inspiriert durch den Gründer der Fakultät Kunst und Gestaltung Lucius Burkhardt, mit filmischer Wahrnehmung von Szenen im Park an der Ilm. In seiner Prozessualität wird das Gehen zu einer Form des kulturhistorischen Erschließens des Parks als Untersuchungsfeld. Hierbei handelt es sich um eine beschreibende Praxis, die durchaus widersprüchlich, bruchstückhaft, reversibel und ephemer ist. Der Fokus der subjektiven Wahrnehmung liegt entsprechend der gehenden Person auf verschiedenen Thematiken. Im Falle Frischs auf den ParkbesucherInnen als Teil einer Szenerie, den durch Wegführung (auch Vor- und Rückbewegung) und Blicklenkung entstehenden landschaftlichen Szenenabfolgen, Brüchen wie zum Beispiel Bauzäunen und den vergänglichen Elementen im Kontext der Kriterien eines Denkmals: Das vorbeifließende Wasser der Ilm, „Un“-Kraut und die immerwährende jahreszeitliche Veränderung der Flora.
LMK: Über die Aneignung des Begriffs der Flaneurin, welcher historisch betrachtet nicht existierte, näherte sich Paula Holzhauer beobachtend dem Gebiet um das Tempelherrenhaus im Ilmpark. Die Beobachtungen fanden über einen längeren Zeitraum zu allen Tageszeiten statt, so konnte erfasst werden, dass der Park zu unterschiedlichen Zeiten ein anderes Gesicht trägt. Es stellten sich Fragen nach den unterschiedlichen Arten von Spaziergänger*innen und deren jeweiligen Intentionen den Park zu nutzen oder zu durchqueren. Im erweiterten Verständnis von Augmented Reality konnte eine persönliche Beziehung du den Passierenden aufgebaut werden, ohne sie anzusprechen.
FK: Zwischen Beobachten und beobachtet werden hinterfragt Paula Holzhauer den Aspekt des (weiblichen) Flanierens durch den Stadtraum, welches historisch eher männlich konnotiert ist. Sie nimmt dabei die Rolle einer Flaneurin ein, die bestimmte Szenerien und Handlungsabläufe der BesucherInnen beobachtet und filmisch festhält. Sie entwirft Gedankenmodelle über die Intentionen und Erlebnisse der passierenden BesucherInnen und untersucht so die Macht der Beobachtungsposition. Auch Paula Holzhauer nutzt die filmische Beobachtung als Mittel zur Dokumentation und als Material ihrer künstlerischen Arbeit.
LMK: Frank Eckardt erläutert, dass der Mensch das Theater im öffentlichen Raum benötigt, um sich darzustellen und eine möglichst authentische Rolle zu spielen. Dabei braucht es mindestens eine zweite Interaktionsperson, mit welcher im Backstage eine Handlung besprochen wird, sowie ein Publikum, welches im Frontstage rezipiert. Diese Erkenntnis ist wichtig, um das Geschehen im Ilmpark zu verstehen. Der Park als öffentlicher Raum dient dabei als sozialer Lernort. Frank Eckardt unterscheidet letztlich zwischen einem konservierungssuchenden Helikopterpark, in welchem nur nach kontrollierten Regeln gehandelt wird und dem heterotopischen, alltagstauglichen Park, in welchem sich verschiedene Akteur*innen arrangieren und die schwächsten Interessen geschützt sind.
FK: Frank Eckardt sieht im Ilmpark als öffentlichen Ort einen Kommunikationsort vergleichbar zum Theater. In diesem erfolgen Handlungen nach bestimmten Vereinbarungen und aus bestimmten Positionen, on-stage und off-stage. Es ist ein Ort der Selbstdarstellung, in der bestimmte Rollen eingenommen und ausgehandelt werden können. Der öffentliche Raum ist hierbei ein Ort des sozialen Lernens an dem die Spielregeln des Zusammenlebens erprobt werden können. Ebenso gilt es, die Rolle, beziehungsweise den Modus des Parks selber, auszuhandeln. Eckardt stellt dabei die Frage, wie die verschiedenen Interessen an den Park ausgehandelt werden können. Dem Ilmpark als musealisiertes Kunstwerk und dessen Konservierung steht der Park als Heterotopie, als widersinniger, offener Freiraum, gegenüber. Besonders hebt Eckardt die Untersuchung der Aufenthaltsqualität im Park und den Schutz der schwächsten Interessen hervor.
LMK: Zunächst wird der Park bei allen Beteiligten zu einem Arbeits- und Forschungsort unter einem spezifischen beobachtend-analysierenden Blickwinkel. Dabei werden unterschiedlich gewichtend das Neben- und Miteinander des Menschen mit seinem Umfeld betrachtet. Abgesehen davon, dass der Park je nach Tageszeit, Perspektive und sozialer Szenerie ein anderes Gesicht trägt, stellt sich heraus, dass sich der Mensch dabei sowohl in einer beobachtenden Rolle befindet, als auch Teil ebendieser Szene ist. In diesem Theaterstück des öffentlichen Raumes müssen soziale Verhandlungen ausgetragen werden, im besten Fall findet hier soziales Lernen und Sozialisation statt. Dies setzt einen heterotypischen, also alltagstauglichen und vielfältigen Parkcharakter voraus, der unterschiedlichste Spieler:innengruppen zulässt. Dies führt insofern zu Konflikten, als dass der Park unter dem Ideal der Aufklärung entstanden ist, heute aber abseits diesen Bewusstseins für ganz andere Bedürfnisse (bspw. laute Musik von Jugendlichen) genutzt wird. Dabei offenbart sich der Streitpunkt zwischen einer konservierenden und rückbesinnenden Haltung einerseits, zu einer nachhaltigen Umgestaltung und Anpassung des Parks andererseits. Obwohl alle Referierenden den Park und seinen Charakter schätzen kommen sie zu dem Fazit, dass es einen neuen Aushandlungsprozess braucht, welcher möglichst alle Spieler:innengruppen integriert und nicht durch eine bestimmte Institution und neues Reglement für bestimmte Bevölkerungsteile exkludierend wirkt. Dabei bleiben offene Fragen wie beispielsweise: Was soll/ will dieser Park sein? Was und wer gehört dazu? Bieten digitale Methoden eine Möglichkeit den Park neu zu denken und anders wahrzunehmen?
FK: Alle Vortragenden nehmen Bezug auf den Begriff der Inszenierung. Dabei wird dieser sowohl zur Beschreibung der landschaftlichen und architektonischen Parkgestaltung als auch der sozialen Interaktion im Ilmpark genutzt. Er dient der Untersuchung von Anordnungen und Abläufen in einem abgesteckten Bereich, der der Wissensgenerierung und künstlerischen Umsetzung dient.
Die Vortragenden nehmen dabei verschiedene Beobachtungspositionen ein. Simon Frisch wird als Spaziergänger Teil der „Inszenierung Ilmpark“, hält seine Eindrücke filmisch fest und macht die Methode der Spaziergangswissenschaft erlebbar. Paula Holzhauer hingegen nutzt für ihr künstlerisches Projekt ebenfalls filmische Mittel, greift jedoch anders in das generierte Material ein. Folgend ihrem Interesse der Fragen nach dem Flanieren und der Macht des Beobachters ordnet sie die Fragmente ihrer Aufnahmen zu neuen Erzählformen an. Frank Eckardt nimmt den Blick von außen ein, der den Park und die Gesamtheit der sozialen Interaktionen zum Untersuchungsgegenstand macht.
Welche Orte im Park sind im Verlauf der Vorträge thematisiert worden?
LMK: Im Verlauf des Videos von Simon Frisch wird ein Spaziergang durch den Ilmpark aus Richtung Oberweimar unternommen. Dabei werden neben zahlreichen Wegen des Parks (bspw. Corona-Schröter-Weg), Brücken, das Römische Haus, Goethes Gartenhaus und die Einsiedelei mit der künstlichen Ruine betrachtet. Paula Holzhauer fokussierte sich in ihrer Arbeit auf die Wiese beziehungsweise das Gelände um das Tempelherrenhaus. Diese Wiese, als auch der Uferbereich am Ochsenauge, spielten in der anschließenden Diskussion hinsichtlich ihrer Nutzer:innengruppen und deren Verhaltensweisen eine Rolle.
FK: Simon Frisch thematisiert eine Wegstrecke durch den Park, ausgehend vom Bienenmuseum/ Oberweimar. Dabei geht er auf Architektur, Landschaft und BesucherInnen auf und neben dem Weg ein. Paula Holzhauer beobachtete über einen längeren Zeitraum wiederkehrend einen Bereich neben dem Tempelherrenhaus. Frank Eckardt untersucht den Park als sozialen Raum im Ganzen.
LMK: Besonders interessant erschien es mir die Umgebung des Parks aus einer soziologisch motivierten Sicht zu betrachten. Das Wissen, dass jede Person eine bestimmte Rolle im sogenannten Frontstage übernimmt, die Vorbereitung aber bereits im Backstage stattgefunden hat, macht neue Blicke auf das menschliche Verhalten im Park möglich. Gleichermaßen offenbart eine solche Beobachtung auch die Notwendigkeit eines Aushandlungsprozesses um die Zukunft des Ilmparks. Dabei muss ein besonders sensibler Umgang mit den Interessen aller Beteiligten und den Ansprüchen des Parks gefunden werden. Dieser darf meiner Meinung nach nicht durch die Dominanz einer bestimmten Institution wie der Klassik Stiftung oder der Bauhaus Universität geschehen. Interessant waren dabei insbesondere aufgeworfene Fragestellungen und Thesen Simon Frischs bezüglich der Lesart und des Verständnisses des Parks. Dabei muss es letztlich gelingen sich nicht von vornherein mit einem Label der Konservierung oder Umgestaltung zu belegen, sondern einen ergebnisoffenen Diskurs zu führen. Die Frage der (Nicht-)Einbindung/ digitaler Methoden innerhalb des Parks, scheint dafür zunächst nicht entscheidend.
FK: In der nachfolgenden Diskussion kommt zu Tage, dass der Konflikt bezüglich der Nutzung des Parks schon in seine Entstehung eingeschrieben ist. Wessen Rolle ist es, zu entscheiden wie mit dem Park als öffentlichem Raum und seinem Denkmalstatus umgegangen wird? Wie kann der Aushandlungsprozess stattfinden? Wonach sind wir auf der Suche und wer nimmt den Park auf welche Weise war? Gibt es eine Möglichkeit, die verschiedenen Vorstellungen zu vereinen?